Out of the Park Baseball dürfte in Deutschland fast niemandem ein Begriff sein. Das liegt einerseits daran, dass sich Baseball als Sportart eher wenig Popularität erfreut und ein Managerspiel andererseits immer eine größere Einstiegshürde darstellt, als eine Simulation wie Super Mega Baseball oder MLB The Show. Das ist bedauerlich, denn der deutsche Entwickler Out of the Park Developments liefert mit OOTP24 wieder einmal ein Spiel, das sich zusammen mit dem Football Manager von Sports Interactive als beste Sport-Managementsimulation bezeichnen darf. Chefentwickler Markus Heinsohn kam als Jugendlicher in Hamburg in Kontakt mit Baseball und entwickelte daraufhin 1999 die erste Version von OOTP, die seitdem jährlich erscheint und sich in den USA aufgrund des hohen Grad an Realismus großer Beliebtheit erfreut. Neben aktiven und ehemaligen Spielern gibt es sogar Teameigentümer, die die Simulation bereits gespielt haben. Doch was macht das Spiel so gut?
Managementsimulation und Sandbox in einem
Wie schon eingangs erwähnt, schlüpft man bei Out of the Park Baseball in die Rolle des General Managers einer Baseballfranchise und führt diese durch alle Höhen und Tiefen die sich im Verlaufe der Jahre auftun. Das Spiel lässt einen dabei von Beginn an wählen, ob man lediglich als General Manager die Entscheidungen über Trades, Vertragsverlängerungen, Talentscouting, Coaching Staff oder Budgetverteilung treffen möchte, oder als Trainer auch die Entscheidung über Aufstellung und Ingame-Management treffen möchte. Wer sich damit noch nicht ausgelastet fühlt, der kann auch beide Rollen gleichzeitig spielen. Das Spiel ist von der MLB voll lizensiert, alle Logos, Namen, Trikots und Minor League Teams sind also von Start an enthalten. Die Spielerbilder werden virtuell generiert, sehen bei Download eines entsprechenden Facepacks aber ihrem Original relativ ähnlich. Diese Technologie hat den Vorteil, dass echte und neu generierte Spieler nicht voneinander zu unterscheiden sind. Das Phänomen von „hässlichen“ Newgens wie z.B. aus dem Football Manager entfällt also.
Schon bei Erstellung des ersten Savegames fällt auf, wie viele Möglichkeiten dieses Spiel bietet: Neben einem „normalen“ Start am ersten Tag der Saison ist auch ein Live-Einstieg zum aktuellen Tag möglich, also mit brandaktuellen Tabellen, Statistiken und angepassten Spielerstärken. Für Fans die gerne in Nostalgie schweben, lassen sich auch alle originalgetreuen MLB-Saisons von 1871 (ja, richtig gelesen) bis 2022 nachspielen. Wem all das nicht zusagt, der erstellt sich eine fiktive Liga, spielt in der Koreanischen Liga oder importiert sich sein Savegame aus der vorherigen Ausgabe und spielt es weiter. Bis OOTP23 war auch noch ein Spiel in diversen außeramerikanischen Ligen möglich, unter anderen auch in der deutschen Baseballbundesliga. Aufgrund von Lizenzstreitigkeiten wurden diese Ligen in der aktuellen Fassung leider gestrichen. Die Einstellungen und Veränderungen die man am Spiel vornehmen kann sind dennoch endlos, sodass sich das Spiel mit Fug und Recht als große „Sandbox“ bezeichnen kann. Jede noch so kleine Eigenschaft an Spielern, Trainern, Eigentümern, Vereinen oder Stadion kann auf Wunsch im sogenannten „Comissioner Mode“ verändert werden, der sich beliebig zu oder abschalten lässt. Doch auch das gesamte Ökosystem lässt sich beliebig editieren. Verletzungshäufigkeit, Suspendierungen, Storylines, die Geschwindigkeit mit der sich Talente entwickeln oder ältere Spieler verschlechtern, die Trade-Schwierigkeit und Trade-Präferenz der KI (Talente oder Veteranen), die Kriterien anhand der die CPU-gesteuerten Vereine die Spieler bewerten (Fähigkeiten vs. Statistischer Output), Franchise Relocations, die Skala und Darstellung der Spielerratings, Inflation, Herkunftsländer und Qualität von Nachwuchstalenten, Regeländerungen, für nahezu alles finden sich Einstellungen die man verändern kann, sollte man mit der Standardkonfiguration unzufrieden sein.
All das sind beeindruckende Funktionalitäten, machen aber alleine noch kein gutes Managerspiel aus. Der Grund für die Beliebtheit des Spiels liegt in der zugrundeliegenden Simulationsengine, welche es schafft, die Realität täuschend echt abzubilden. Der große Vorteil gegenüber beispielsweise dem Genre der Fußballmanager liegt in der Sportart an sich: Baseball ist sehr gut quantifizierbar. Durch das relativ „einfache“ Duell Pitcher vs. Batter mit einer klar definierten Anzahl an möglichen Ausgängen lässt sich die Qualität eines Spielers sehr gut anhand diverser Statistiken beurteilen. Durch das zugrunde liegende Modell in OOTP kommen so stets realistische Ergebnisse und Statistiken zustande, ohne das den Spielern eine unübersichtliche Anzahl an verschiedenen Skills zugewiesen werden muss. Die Offensivratings eines Spielers beschränken sich auf die fünf Fähigkeiten „Contact“, „Gap Power“, „Home Run Power“, „Eye/Discipline“, sowie „Avoid K’s“. In der Defensive werden Werte für „Range“, „Error“ und „Arm“ vergeben, aus denen sich ein Gesamtwert für die unterschiedlichen Positionen bildet. Beispielsweise ist die Wurfkraft für einen 3rd Baseman besonders wichtig für die Defensivbewertung, während ein Shortstop mit seiner Agilität vor allem einen großen Bereich abdecken muss, also einen hohen Range-Wert aufweisen sollte. Ein ähnlich simples Bewertungssystem gibt es für Pitcher, die eine unterschiedliche Anzahl an Pitcharten haben, aus denen sich der sogenannte „Stuff“ berechnet, also die Fähigkeit, Strikeouts zu produzieren.
Movement bewertet die Fähigkeit, Home Runs zu vermeiden, während Control für die Anzahl an Walks verantwortlich ist. Garniert wird alles durch Charaktereigenschaften der Spieler, sowie eine Handvoll sekundärer Attribute wie z.B. Baserunning oder Basestealing. Durch dieses simple, aber realistische Bewertungssystem schafft es das Spiel einen perfekten Sweetspot zwischen Übersichtlichkeit und Spieltiefe zu erzeugen. In einem Managerspiel ist schließlich Nichts schlimmer, als unzählige, im schlimmsten Fall unübersichtlich angeordnete Attribute, von denen man zur Hälfte nicht einmal weiß, wie und ob sie sich überhaupt auf das Spiel auswirken.
Spiele in diesem Genre, die ihren Fokus auf die realistische Spielberechnung legen, weisen in der Regel Defizite in der grafischen Darstellung des Live-Spiels auf. Das ist in OOTP nicht anders, das Spiel startete als reine Textsimulation und wurde erst im Laufe der Zeit um einen 3D-Modus erweitert. Dieser wird zwar von Jahr zu Jahr besser, wer hier aber auf fotorealistische Spielszenen und Animationen wartet, wird enttäuscht. Weil die Berechnung weiterhin im Hintergrund stattfindet und die Spielszenen lediglich zum ausgespuckten Ereignis animiert werden, kann man sich schon mal über vermeidlich dumme oder schläfrige Aktionen der Spieler ärgern. Wie im Football Manager lässt es sich aber zwischen verschiedenen Kameraeinstellungen hin- und herschalten, sodass zusammen mit den On-Field Soundclips immerhin etwas das Gefühl von Dynamik aufkommt. Wer möchte, kann sich hier auch noch Mods aus dem Internet laden, sodass beispielsweise die originale Homerun-Musik der Teams ertönt. Trotz aller Mängel erledigt der 3D-Modus seinen Job. Als Trainer trifft man Entscheidungen über Spieltaktik oder Auswechslungen und kann die Geschwindigkeit beliebig anpassen, sodass man beispielsweise relativ schnell durch das Spiel simuliert und erst im entscheidenden letzten Inning Spielzug für Spielzug durchlebt. Schlussendlich muss man festhalten, dass eine realistische Simulationsengine für den langfristigen Spielspaß entscheidend ist und nicht die grafische Präsentation.
Selbstverständlich kann man die Verantwortung für die Spiele auch seinem KI-Manager überlassen und sich die Highlights bei Bedarf später nochmal anschauen. Als GM hat man ohnehin alle Hände voll zu tun, sofern man die Verantwortung für die einzelnen Teilbereiche nicht abgibt. Man scoutet Spieler, fädelt Trades ein, verlängert oder entlässt Spieler, wählt Spieler beim Draft aus, nimmt junge Talente aus dem Ausland unter Vertrag und verwaltet die Budgets. In OOTP24 sind der „Hard Trade Mode“ und die „Trade Reputation“ neu hinzugekommen. Im Hard Mode kann man bei Tradeverhandlungen nicht mehr die direkte Reaktion des Gegenübers ablesen, sondern muss erst ein Angebot einreichen und einen Tag auf eine Antwort warten. Die Trade Reputation ist ein Beliebtheitsindikator bei anderen Teams. Kommt man schnell zu guten Abschlüssen mit anderen Teams, werden diese in der Zukunft besonders gerne mit einem verhandeln und unter Umständen niedrigere Forderungen stellen. Lässt man umgekehrt Deals platzen oder macht unrealistische Vorschläge, tritt das Gegenteil ein. Beide Features erschweren das Spiel allerdings unnötig. Die Trade Reputation sinkt beispielsweise auch, wenn man ein absurd schlechtes Angebot der KI ausschlägt. Über allem steht der Owner der Franchise, welcher zu Beginn der Saison verschiedene kurz- und langfristige Ziele vorgibt. Auch dieser Teil des Spiels ist extrem realistisch abgebildet: Die Eigentümer haben verschiedene Charaktereigenschaften und Präferenzen.
Während wir bei den New York Mets also so viel Geld wie wir wollen ausgeben können und dafür Titel holen müssen, will beispielsweise der Eigentümer der Pittsburgh Pirates nur die Gewinne abschöpfen. Sportlicher Erfolg: zweitrangig. Das führt dazu, dass die verfügbaren Budgets und sportlichen Zielsetzungen von Team zu Team vollkommen unterschiedlich sind und jede Franchise eine unterschiedliche Spielstrategie erfordert. Wie viel Geld durch Eintrittsgelder und TV-Verträge generiert werden können, hängt von der Marktgröße der Region, der Fanloyalität und dem Fan-Interesse ab, welches sich durch Teamerfolg oder der Vertragsverlängerung mit einem populären Spieler verbessert. Umgekehrt kann dies durch Misserfolg oder Verlust eines Sympathieträgers auch fallen. Das sorgt für ein zusätzliches Element bei der Beurteilung von Spielern. Hat man nur noch einen Kaderplatz und zwei in etwa gleichstarke Kandidaten, kann die Popularität und der Charakter der Spieler den Ausschlag geben. Auch bei der Verteilung der Gelder muss sorgsam tariert werden. Der Eigentümer gibt für das Jahr ein Gesamtbudget vor, welches man auf die Bereiche Spielergehälter, Staffgehälter, Scoutingbudget, Entwicklungsbudget, sowie Verpflichtungsbudget für den Draft und internationale Talente aufteilen muss. Auch hier ist es von entscheidender Bedeutung, welche Art von Team man übernommen hat und wo die Präferenzen liegen. Je mehr in den Nachwuchs investiert wird, desto weniger kann für Vertragsverlängerungen mit den Profis ausgegeben werden.
Wer den Film „Moneyball“ gesehen hat, der wird sich bei Oakland Athletics wiederfinden. Diese notorisch klamme Franchise hat gar keine andere Wahl, als ein Großteil des Budgets in die Spielerentwicklung und das Scouting zu legen, um junge Talente zu finden und zu entwickeln. Denn in der MLB sind die Spieler in den ersten 6 Profijahren an ihr Team und einen festgelegten Gehaltsbetrag gebunden, bevor sie die Free Agency erreichen. Für Small Market Teams heißt das Motto also: Die ersten Jahre in denen der Spieler noch unter Marktwert bezahlt wird ausnutzen und den Spieler anschließend einen Jahr vor Vertragsablauf an die Big Player gegen neue junge Talente zu tauschen. Genau in diesem Kreislauf liegt die Magie von Out of the Park Baseball 24. Während man beispielsweise im Football Manager früher oder später das Maximum mit seiner Mannschaft erreicht hat, kann es hier immer wieder zu Auf- und Abschwüngen kommen, die Langzeitspielspaß garantieren. Dazu kommt die generelle Unvorhersehbarkeit des Baseballsports: Nicht immer gewinnt die beste Mannschaft. Kleines Beispiel aus der Realität gefällig? Die Los Angeles Dodgers haben über die letzten 10 Jahre 61,9% ihrer Spiele gewonnen, das ist für die MLB eine sehr hohe Zahl. Sie haben in 9 von 10 Fällen ihre Division gewonnen und sind jedes Jahr in die Playoffs gekommen. Obwohl sie jedes Jahr Mitfavorit auf den Titel waren, haben sie nur ein einziges Mal die World Series gewinnen können. Baseball ist ein Sport, in dem Zufall eine so große Rolle spielt, dass sich Qualitätsunterschiede erst auf eine hohe Anzahl an Spielen verlässlich auswirkt. Das bekommt man oftmals auch in OOTP zu spüren, wenn man jedes Jahr die Playoffs erreicht, nur um doch wieder früh die Segel zu streichen. Nach der Enttäuschung kommt dann schnell das „Jetzt erst Recht!“ Gefühl, in der nächsten Saison einen neuen Anlauf zu starten, sodass die Motivation nie nachlässt. Das liegt auch am sogenannten „Talent Change Randomness“. Spielerfähigkeiten und Potential sind nämlich dynamisch und machen unter Umständen Sprünge nach Oben oder Unten. So kann es passieren, dass der absolute Superstar den man erst vor 2 Jahren mit einem langfristigen, dreistelligen Millionenvertrag ausgestattet hat auf einmal nur noch durchschnittliche Leistungen liefert. Oder das Supertalent aus dem Farmsystem auf einmal mächtig an Potential einbüßt. Gleichzeitig kann es passieren, dass ein Draft Pick aus der 15. Runde plötzlich das Zeug zum Major League Spieler hat, weil er im Winter besonders hart an einer Schwäche gearbeitet hat. Je mehr Budget man auf das Player Development Department verteilt, je bessere Coaches man einstellt, desto häufiger können solche positiven Fähigkeitsveränderungen auftreten. Auch dieser Teil des Spiels spiegelt nur die Realität wider, denn auch in der MLB sind Spieler von extremen Leistungsschwankungen betroffen und können innerhalb von zwei Jahren vom MVP zum Bankspieler werden. Wer das nicht glaubt, der darf gerne mal „Cody Bellinger“ googlen. Als General Manager hat man neben dem Profiteam auch die Kontrolle über die verschiedenen Minor League Teams und kann hier Talente je nach Leistungsstand hoch- bzw. runterstufen. Ein Owner-Goal kann es zum Beispiel durchaus sein, das Farmsystem zu verbessern. Jedes Jahr werden ligaweit die Top 100 Nachwuchsspieler geranked, je höher die eigenen Spieler dabei in der Liste auftauchen, desto mehr Punkte erzielen sie für den Gesamtscore des Nachwuchssystems. Hat man eine große Anzahl an guten Talenten, kann man diese entweder selbst an den Profibetrieb heranführen (mit dem Risiko, dass sie ihr Potential doch nicht erfüllen) oder gegen gestandene Profis eines anderen Teams tauschen um sich für einen Playoff-Push zu verstärken. Die Entwicklung von Talenten ist ein elementarer Baustein für den Spielspaß eines Sport- bzw Managerspiels und OOTP24 bildet diesen Prozess nicht nur sehr realistisch, sondern auch sehr motivierend ab.
Wie bei jedem Spiel heutzutage ist direkt nach dem Erscheinen noch nicht alles perfekt. Gerade in den Tagen nach Release gab es im offiziellen Forum vermehrt Beschwerden über unrealistische KI-Trades und ein Problem bei den Teamfinanzen, welches dazu führte, dass von den Teams keine hochpreisigen Free Agents mehr verpflichtet wurden. Beide Probleme sind mittlerweile per Patch behoben, über die nächsten Monate sind davon noch mehrere zu erwarten, um weitere Features ins Spiel hinzufügen und kleinere Fehler ausmerzen. Das Spiel macht dennoch einen kompletten und fehlerfreien Eindruck. Das Problem der hohen Einstiegshürde bleibt aber weiterhin: Für jemanden, der sich kaum oder gar nicht mit Baseball auskennt, wird es schwer sein, sich in dieses Spiel zu fuchsen. Ohne ein gewisses Verständnis darüber, wie die Verträge und Transaktionen in der MLB funktionieren, wird sich wahrscheinlich schnell Frust breitmachen. Das Spiel bietet zwar ein Ingame-Tutorial über die verschiedenen Screens sowie den Direktlink zu einem Youtube Kanal, aber gerade Anfangs ist man von den ganzen Menüs erst einmal überwältigt. Im Baseball geht schließlich alles über Statistiken und das merkt man dem Spiel an. Die sind zwar recht ansehnlich präsentiert und über die Shortcut-Leiste an der Seite schnell navigierbar, man muss aber erstmal wissen, was die
Statistiken überhaupt bedeuten. So bleibt OOTP in Deutschland wohl weiter ein Nischenprodukt, was ausgesprochen schade ist, denn kein aktuelles Sportspiel auf dem Markt bildet das Ökosystem seines